Zervixkarzinom

Deeskalationsstrategien bei der operativen Therapie des frühen Zervixkarzinoms

In der modernen Gynäkoonkologie steht nicht mehr nur die Radikalität der Operation im Vordergrund – sondern die Balance zwischen onkologischer Sicherheit und Lebensqualität.

Neue Deeskalationsstrategien wie die Sentinellymphknoten-Technik, fertilitätserhaltende Eingriffe und die Ergebnisse der SHAPE-Studie zeigen: Weniger kann oft mehr sein – mit geringerer Morbidität bei gleicher Heilungschance.

Ziel ist klar:

Heilung sichern, Nebenwirkungen minimieren und Frauen ein Stück Lebensqualität zurückgeben.

Die operative Therapie des frühen Zervixkarzinoms erlebte seit den Zeiten von Wertheim und Meigs eine Vielzahl an Anpassungen und Modifikationen, mit dem stetigen Ziel, eine optimale Balance zwischen operativer Radikalität und optimalem onkologischen »Outcome« sowie einer Verringerung der dabei geschaffenen Morbidität zu finden. Im Gegensatz zu vielen anderen gynäkologischen Malignomen steht beim Zervixkarzinom der Option der operativen Therapie die Radiochemotherapie als Alternative mit gleichwertigem kurativem Ansatz gegenüber, sodass ein wichtiger Teil der Therapieplanung beim Zervixkarzinom letztlich immer die Selektionierung der Patientinnen, welche von der jeweiligen The- rapie am besten profitieren, darstellt. Neben den histologischen Risikofaktoren und dem Tumorsubtyp spielen hierbei der Lymphknotenstatus sowie die Tumorgröße und -ausdehnung eine entscheidende Rolle. Ein unimodaler Therapieansatz soll eine Kumulation von Morbidität möglichst verhindern. Da bildgebende Verfahren nach wie vor keine ausreichende Sensitivität und Spezifität bei der Einschätzung einer Lymph- knotenmetastasierung beim Zervixkarzinom aufweisen, ist ein operatives Lymphknoten-Staging oft ein erster Schritt der Sta- dienfestlegung und damit der Therapieplanung. Ziel der operativen Therapie des frühen Zervixkarzinoms ist die optimale Balance zwischen Radikalität und onkologischer Sicherheit bei hoher Chance eines alleinigen kurativen Ansatzes.

Deeskalation beim operativen Lymphknotenstaging
Das Sentinellymphknoten-Konzept hat sich bei vielen onkologischen Entitäten in der Gynäkologie (Mammakarzinom, Vulvakarzinom, Corpuskarzinom) sowie auch in anderen Fachbereichen wie der Dermatologie als eine sichere Methode zur histologischen Klärung der lymphogenen Metastasierung durchgesetzt. Hierbei steht ein diagnostischer Ansatz (30) 2025 © Omnimed Verlag 403Praktische Gynäkologie Praktische Gynäkologie im Vordergrund, um dann die weitere Therapie optimal zu planen. Ein therapeutischer Effekt konnte nicht nachgewiesen werden (1).

Beim operativen Staging der Lymphknoten des frühen Zervixkarzinoms konnte durch die Etablierung der Sentinellymphadenektomie mit Technetium/Blaulösung oder Indocyaningrün (ICG) (Abb. 1) ebenfalls eine Reduktion der Radikalität und Morbidität erreicht werden (1). Für Tumoren < 2 cm konnte hier sowohl die onkologische Sicherheit als auch die Reduktion der Morbidität bereits mit hoher Sensitivität und Spezifität gezeigt werden (3, 8). Ob für dieses Verfahren auch für Tumoren bis zu 4 cm Größe eine ausreichende onkologische Sicherheit besteht und in Zukunft damit noch mehr Patientinnen von diesem Schritt der Deeskalation in der Radikalität profitieren können, wird derzeit im Rahmen der SENTICOL-III-Studie untersucht (7).

Deeskalationsoptionen bei der kurativen Tumorresektion

Fertilitätserhaltende Konzepte

Bei Frauen mit frühem Zervixkarzinom, nicht befallenen Lymphknoten und bestehendem Kinderwunsch hat sich die Option der radikalen Trachelektomie für Tumoren < 2 cm etabliert und kann leitliniengemäß nach individueller Risikoaufklärung mit der Patientin besprochen werden (1, 3). Auch eine Konisation im Gesunden mit negativer Zervixkürettage stellt in diesem Fall bei kleinen Tumoren (bis »Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique« [FIGO] IA2 mit bis zu einem Risikofaktor) eine Option bei bestehendem Kinderwunsch dar (1). Diese Ansätze sollten in ein Gesamtkonzept unter Einbeziehung aller reproduktionsmedizinischer Optionen eingebettet werden. Zudem muss hierbei sicher evaluiert werden, inwieweit eine radikale Trachelektomie bei Tumoren < 2 cm noch sinnvoll erscheint, wenn bei der gleichen Gruppe im Falle einer Hysterektomie mittlerweile auch weniger radikal vorgegangen werden kann (9). Ob dabei eine einfache Trachelektomie oder elektrochirurgische Schlingenexzision (LEEP)-Konisation im Gesunden nicht ausreichen würde, müsste aber noch untersucht werden. Radikale) Hysterektomie Bei der Standardtherapie des frühen Zervixkarzinoms(< FIGO IIB) erfolgt zur Resektion des Tumors meist eine radikale Hysterektomie (Abb. 2 u. 3). Hierfür haben sich verschie-dene Techniken mit dem Ziel einer Morbiditätsreduktion, zum Beispiel durch nervenschonende Verfahren bis hin zur minimal-invasiven Durchführung der Operation mittels Laparoskopie oder Roboter-Unterstützung, über die Jahre etabliert (1). Mit der Veröffentlichung der LACC-Studie und nachfolgen- den retrospektiven Analysen, die diese Daten bestätigten, gab es eine Zäsur im Bereich des minimal-invasiven Ansatzes
(10). Es wurde dabei ein erheblicher Benefit der Patientin für ein offenes Verfahren hinsichtlich der onkologischen Sicherheit herausgestellt (krankheitsfreies Überleben 96,5 % vs.86,0 % nach 4,5 Jahren) (10). Die genaue Ursache für das schlechtere »Outcome« in dem minimal-invasiven Studienarm wurde diskutiert, aber letztlich nicht klar identifiziert.

Die Verwendung eines Manipulators sowie die laparoskopische Kolpotomie wurden als Optionen für eine Zellverschleppung vermutet. Letztlich führte das zum Zurückkehren der offenen operativen Therapie des Zervixkarzinoms als logische Antwort auf diese Erkenntnisse (1). Um diese Probleme zu adressieren, konnten einzelne retrospektive Studien zeigen, dass das Bilden einer Scheidenmanschette zum Verschluss des Tumorkompartiments und zur Verbesserung der Tumorhygiene ähnlich gute krankheitsfreie Überlebensdaten wie der offene Arm der LACC-Studie aufweisen konnten (6, 11).

Köhler zeigte ein rezidivfreies Überleben von 94,5 % und ein Gesamtüberleben von 97,8 % nach 4,5 Jahren mit dieser Technik (6). Auch durch eine zuvor
durchgeführte LEEP-Konisation im Gesunden kann eine Verbesserung des rezidivfreien Überlebens erreicht werden (2, 5). Der Verzicht auf einen Manipulator, die Bildung einer Scheidenmanschette sowie die zuvorige LEEP-Konisation im Gesunden wurden als mögliche protektive Maßnahmen identifiziert. Ob die Nutzung dieser protektiven Maßnahmen eine onkologisch sichere Möglichkeit zur Renaissance des minimalinvasiven Ansatzes darstellt, soll im Rahmen der prospektiven G-LACC-Studie evaluiert werden, welche sich derzeit in der Rekrutierungsphase befindet.

Dass eine einfache Hysterektomie für kleine Tumoren eine ausreichende Behandlungsoption darstellt, wurde mit der SHAPE-Studie untersucht. Bei Frauen mit Tumoren < 2 cm, einer Stromainvasion < 10 mm (oder 50 % in der [Magnetresonanztomografie] MRT) (Tab.) ist in dieser Auswertung eine einfache Hysterektomie anstelle einer radikalen Hysterektomie für das krankheitsfreie Überleben nicht unterlegen und damit onkologisch sicher. Dieses Vorgehen war mit einer signifikant verminderten Morbidität vor allem hinsichtlich einer langfristigen Blasenentleerungsstörung und Harninkontinenz, aber auch mit einer initial verbesserten Sexualfunktion und weniger sexuellem Distress verbunden (9). Zusammen mit protektiven Maßnahmen, vor allem einer vorherigen LEEP-Konisation in sano, kann in der Einzelfallabwägung auch eine totale laparoskopische Hysterektomie mit der Patientin diskutiert werden. Auch das Konzept, eine vorherige LEEP-Konisation mit der Sentinellymphadenektomie zu verbinden, um dann anhand der histolgischen Ergebnisse das Therapiekonzept festzulegen, hat sich so etabliert.

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Quellen / Literatur:
1. AWMF online (2022): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom Langversion 2.2 – März 2022. AWMF-Registernummer: 032/033O. https://register.awmf.org/assets/ guidelines/032-033OLl_S3_Diagnostik_Therapie_Nachsorge_Zervixkarzinom_2022-03.pdf (abgerufen am 29.06.2023)
2. Chacon E, Manzour N, Zanagnolo V, Querleu D, Núñez-Córdoba JM, Martin-Calvo N, Căpîlna ME, Fagotti A, Kucukmetin A, Mom C, Chakalova G, Shamistan A, Gil Moreno A, Malzoni M, Narducci F, Arencibia O, Raspagliesi F, Toptas T, Cibula D, Kaidarova D, Meydanli MM, Tavares M, Golub D, Perrone AM, Poka R, Tsolakidis D, Vujić G, Jedryka MA, Zusterzeel PLM, Beltman JJ, Goffin F, Haidopoulos D, Haller H, Jach R, Yezhova I, Berlev I, Bernardino M, Bharathan R, Lanner M, Maenpaa MM, Sukhin V, Feron JG, Fruscio R, Kukk K, Ponce J, Minguez JA, Vázquez-Vicente D, Castellanos T, Boria F, Alcazar JL, Chiva L; SUCCOR stu-
dy group; SUCCOR study Group (2022): SUCCOR cone study: conization before radical hysterectomy. Int J Gynecol Cancer 32 (2), 117–124
3. Hertel H, Köhler C, Grund D, Hillemanns P, Possover M, Michels W, Schneider A; German Association of Gynecologic Oncologists (AGO) (2006): Radical vaginal trachelectomy (RVT) combined with laparoscopic pelvic lymphadenectomy: prospective multicenter study of 100 patients
with early cervical cancer. Gynecol Oncol 103 (2), 506–511
4. Kadkhodayan S, Hasanzadeh M, Treglia G, Azad A, Yousefi Z, Zarifmahmoudi L, Sadeghi R (2015): Sentinel node biopsy for lymph nodal
staging of uterine cervix cancer: a systematic review and meta-analysis of the pertinent literature. Eur J Surg Oncol 41 (1), 1–20
5. Klapdor R, Hertel H, Delebinski C, Hillemanns P (2022): Association of preoperative cone biopsy with recurrences after radical hysterectomy.
Arch Gynecol Obstet 305 (1), 215–222
6. Kohler C, Hertel H, Herrmann J, Marnitz S, Mallmann P, Favero G, Plaikner A, Martus P, Gajda M, Schneider A (2019): Laparoscopic radical hysterectomy with transvaginal closure of vaginal cuff – a multicenter analysis. Int J Gynecol Cancer 29 (5), 845–850

Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Franz-Ferdinand Bitto
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